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Private Kreativität statt politische Planung Gespräch mit einem libertären deutschen Star-Architekten
Interview mit Patrik Schumacher
Published in: eigentümlich frei #181, April 2018, www.ef-magazin.de

Lieber Herr Schumacher, wer ist John Galt?!
John Galt is cool, aber ich bin kein Anhänger von Ayn Rand’s Ethik des Egoismus. Ich bin ein unverbesserlicher Idealist und passionierter Weltverbesserer.

Ayn Rands Romanfigur aus „Der ewige Quell“, bzw. „Der Ursprung“ in der neuen Übersetzung, Howard Roark ist ebenfalls Architekt. Identifizieren Sie sich mit dieser Figur? Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten? Wo unterscheiden Sie sich?
Ich unterscheide mich insofern als daß ich die Attitude eines Howard Roark  - nämlich das insistieren auf seiner Entwurfsarbeit als sein untastbares Eigentum - zwar nachfühlen kann aber keineswgs meine Attitude ist. Ein Howard Roark könnte diese Unantastbarkeit seiner Arbeit vertraglich sichern, aber ein Naturrecht gibt es meiner Aufassung nach weder hier, noch überhaupt. Zudem fände ich auch eine vertragliche Absicherung der künstlerischen Integrität einer Architektur nicht für sinnvoll, da Architektur im täglichen Leben für die Nutzer funktionieren muss und kein Fetisch sein sollte.

Als Vorlage für die Romanfigur Howard Roark diente der Architekt Frank Lloyd Wright. Was halten Sie als Architekt von dessen Gestaltungstil?
Frank Lloyd Wright war ein Pionier der modernen Architektur, der als erster die moderne Idee des fliessenden Raums entwickelt hat. Anstatt Zellen aneinanderzureihen gehtes hier um Raumsequenzen ohne klare Abgrenzungen. Der Raum „fliest“ hier auch von innen nach aussen. Dieser Aspekt der Modernen Architektur ist immer noch relevant heute, während andere Aspekte der Moderne  - wie z.b. Serialität – jezt obsolet sind.

Beim World Architecture Festival in Berlin im November 2016 hielten Sie eine Rede, in der Sie forderten, den sozialen Wohnungsbau zu beenden. Herr Schumacher, warum hassen Sie arme Menschen?
Ich hasse überhaupt niemanden. Die Motivation meiner diskusiven Beiträge zur Debatte über die Wohnungskrise ist mein Idealismus. Was mich umtreibt und antreibt ist die Frage, wie wir Politik und Gesellschaft, und in diesem Zusammenhang konkret auch Wohnungsbau und Städtebau, so reformieren können, daß wir die ökonomische Stagnation im allgemeinen und die Wohnungskrise im besonderen überwinden. Das System der politischen Dirigierung und Rationieriung von städtischem Wohnraum ist meiner Meinung nach hier keine Lösung, sondern vielmehr ein Teil des Problems.

Die Frage war natürlich nicht ganz ernst gemeint. Wie hat man auf Ihren Vorstoß reagiert?
Ich habe privat viel Zuspruch bekommen, zum Teil auch öffentlich, aber die überwiegende Reaktion in den Medien und von Politikern war sehr kritisch, und die online Kommentare zumeist feindlich. Defamierungen als Nazi haben auch nicht gefehlt, sowie Proteste for dem Tor meiner Firma.

Haben Sie mit derartigen Reaktionen gerechnet?
Nein, das war eine böse Überraschung.

Ihre Forderungen machen beim sozialen Wohnungsbau nicht halt. Sie plädieren außerdem dafür, öffentliche Parkanlagen zu privatisieren. Parkbesuche dann nur noch gegen Eintrittsgeld?
Ich kann mir vorstellen, daß es da viele verschiedene Formen der Monetarisierung geben wird. Ich vertraue dabei auf die Kreativität von Unternehmern und auf den Wettbewerb als Forschungs- und Optimieriungsverfahren. Von einem bin ich hier allerdings überzeugt: die öffentlichen Plätze werden dann vielgestaltiger und damit besser auf verschiedenste Bedürfnise zugeschnitten. Die betreffenden Grundstücke werden dann viel besser genutzt als jetzt und damit wertvoller für die Gesellschaft.

Stichwort Parametrismus, ein Gestaltungskonzept aus Ihrer Feder: Wie würden Sie einem architektonischen Laien wie mir erklären, was genau das ist?
Der Parametrismus ist die Antwort der Architektur auf die Dynamik und Komplexität der post-fordistischen, vernetzten Gesellschaft. Alle Raumformen sind hier parametrisch variabel und damit anpassungsfähig in Bezug auf Kontexte und in Bezug zueinander. Im Kontrast zu den im Vergeich kruden Formen und Kompositionsmethoden der bisheringen Stile, inklusive des Modernismus, sind die digitalen Methoden und die vielgestaltigen morphologischen Resourcen des Parametrismus viel besser geignet das zu verdichtende, subtiler auszudifferenzierende and komplexer zu vernetzende städtische Gewebe der Hochleistungsmetropolen unserer Zeit zu entwickeln. Dieser neue Stil findet deshalb auch weltweit mehr und mehr Anhänger.

Steht dieses Konzept nicht im Widerspruch zu dem Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen? Schließlich sind sozialistisch-schlichte Plattenbauten vermutlich günstiger zu bauen als organisch-chaotische Kreativschlösser.
Das wirtschaftende Denken und Handeln schaut nicht nur auf die Kosten, sondern muss Kosten und Nutzen gegenüberstellen. Die monotone Repetition der mechanischen Massenfertigung bedingt Anpassungsdefizite für jede Nutzungssituation, die hier über einen Kamm geschoren werden muss und bedingt Charakterlosigkeit und Orientierungsverluste in der urbanen Agglomeration. Die Kostenvorteile sind inszwischen auch schon beinahe dahingeschwunden und werden sich bald sogar in Kostennachteile verwandeln, nämlich dann, wenn die Bauindustrie vollends auf digital kontrollierte Fabrikationsmethoden setzt. Dann werden nämlich die Raum- und Materialeinsparungen spezifisch ausdifferenzierter Bauteile den ökonomischen Ausschlag geben.

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